Close

Mensch & Tier

Maverick (siehe Foto oben) lebt im Tierheim von Omegna. Er ist passionierter Schlangenfänger, eine ausgeprägte Persönlichkeit also, die aus diesem und anderen Gründen nicht leicht zu vermitteln ist. Er hat mich innerlich angezogen – so fühlt es sich zumindest an –  um diesen Sommer eine Art Beobachtungsprojekt im Tierheim zu starten. Mein Vermuten ist, dass Tiere in bestimmter Hinsicht „intelligenter“ sind als wir denken. Natürlich können sie keine Computer konstruieren, aber doch, da ist etwas, eine Art unmittelbares Wissen, eine Kommunikation auch, die tiefer geht, feinsinniger und umfassender ist, als wir denken. Das jedenfalls ist mein Eindruck.

Dort im Tierheim leben im Moment ca. 40 Hunde, von denen 19 mehrere Stunden jeden Tag frei innerhalb eines großen Geländes unbeobachtet ihr Zusammenleben gestalten. Mich würde interessieren, wie dieses Miteinander der Hunde konkret aussieht, gibt es sinnvolle soziale Formen, oder herrscht einzig das Gesetz des Stärkeren und ansonsten Chaos?

Bei Spaziergängen mit meinen eigenen Hunden in dem an das Tierheim grenzenden Park war mir bereits mehrfach aufgefallen, dass die Hunde aus dem Tierheim – wenn wir ihnen begegnen –  sich in der Regel bemerkenswert ruhig und ausgeglichen verhalten. Mein Interesse war geweckt, denn aus anderen Tierheimen war ich anderes gewohnt. Hunde im Tierheim sind meist in einem Gemütszustand, der nur als „Außer sich sein“, das Gegenteil also von Ausgeglichenheit und „In sich Ruhen“ bezeichnet werden kann. Diese hier aber wirkten bemerkenswert ruhig und ausgeglichen, mehr noch als einige ihrer Kollegen, die ein „Zuhause“ haben und mit ihrem Besitzer ebenfalls im Park unterwegs sind.

Gibt es bei frei zusammenlebenden Hunden eine soziale Ordnung die auf mehr, als nur auf „das Recht des Stärkeren“ beruht? Wie wirkt dies auf die innere Verfassung der einzelnen Mitglieder? Und nicht zuletzt interessiert mich, welche Rolle der Mensch hierbei einnimmt. Dort in dem Tierheim ist es nicht dem Zufall überlassen, welche Hunde in der Gruppe laufen und welche nicht. Es gibt dort jemanden, der das ganze führt und begleitet, auch wenn die Hunde dann die meiste Zeit sich selbst überlassen bleiben.

Bei meinem ersten Besuch begrüßte mich Maverick mit einer unerwarten Scheinattacke aus dem Halbdunkel seines geräumigen Zwingers mit spürbarer Aggression nach vorne schnellend und gegen das Gitter springend, um sofort wieder im Dunkel zu verchwinden… Er sei misstrauisch gegenüber allen Fremden sagte man mir. Beim zweiten Besuch quittierte er das hingehaltene Leckerli mit einem Blitzangriff auf mein Ohr. Ich hörte nur seine Zähne vor meinem Gesicht zusammenklappen, so schnell ging das. Ich hätte mich nicht von oben zu ihm hin vornüberbeugen dürfen, sagte man mir. Das sah ich ein und hielt mich von nun an zurück. Er bekam einen Maulkorb um, um nicht noch weiteres zu fourcieren und damit wir uns einigermaßen entspannt begegnen konnten. Dies war der Anfang einer Freundschaft, die auf gegenseitigem Respekt und auch dem Wissen um die Andersartigkeit unserer Wesensnatur beruhen soll. So jedenfalls ist meine Idee. Maverick hat mir inzwischen ein (für mich deutliches) Zeichen seines Einverständnisses für gemeinsame Aktionen gegeben, als wir uns zu einem Spaziergang im Park aufmachten, um Eidechsen zu jagen…

Wie es nun weitergeht werde ich euch gerne berichten.

Erika Stolze, Dipl. Biologin

Das ist Pepe, eine andere „Tierheimpersönlichkeit“. Obwohl er taub ist kommt er gut zurecht. Bei schönem Wetter am Wochenende trifft man ihn im Park, wie er ganze Familien spazierenführt. Diese sehen das natürlich umgekehrt…